Produktion: Theaterarbeit in den Burgenländischen Kulturzentren in Koproduktion mit dem Offenen Haus Oberwart
Besetzung: Mutter: Maria Urban; Sissi: Maria Martina; Franz: Ottwald John; Karl: Georg Kusztrich; Pipi: Hans Sokol / Bühnenbild: Wolfgang Horwath; Kostüme: Ulrike Plichta / Maske: Doris Deixler / Produktionsleitung: Horst Horvath / Regie: Conny Hannes Meyer
SPRECHER: Im letzten Jahr hat Conny Hannes Meyer die “Theaterarbeit in den Burgenländischen Kulturzentren ins Leben gerufen. Die erste, sehr gut gelungene Produktion ist schon im Herbst gelaufen. Die zweite hatte letzten Mittwoch in Eisenstadt Premiere. TODESTAG, ein bäuerliches Schicksaldrama von Peter Wagner. Auch diesmal hat Conny Hannes Meyer selbst Regie geführt. Dorothee Frank hat das Stück gesehen.
FRANZ (O-Ton): Die Beine, die Schenkel, das breite Becken, der Bauch … wie habe ich den wundervoll geschwungenen Mund geliebt … und ihre Ohren … und ihre Seele … und ihre Mütterlichkeit … wie fürsorglich sie zu ihm war, fast zwölf Jahre lang … und dann ihr Stillhalten, ihre Hingabe, und dann den Kopf zurückgedreht, die Sanftmut ihres Blickes, darin die ganze Welt lag, Karl, und nicht weniger als das, die ganze Welt …
SPRECHERIN: Auf dem Totenbett eine Kuh. Die Brüder Franz und Karl beweinen ihr urplötzlich dahingerafftes Rindvieh, ihr Ein und Alles, Elsbeth. Da fließt der Schnaps in Strömen. Umsonst mahnen die alte Mutter und Karls nun endlich schwangere Gattin Sissi zur Besonnenheit. Die Rivalität der Brüder um die geliebte Kuh bricht auf, Bösartigkeiten kommen ans Licht. Der hinterhältige Komplexler Franz und der um sein Glück betrogene Karl bringen einander auf die gräßlichste Weise um. Wie die beiden hinterbliebenen Frauen reagieren werden, das hat man sich nicht bei der Lektüre des Textes, wohl aber durch Conny Hannes Meyers Inszenierung schon ausrechnen können.
MUTTER (O-Ton): Wir hätten dem Treiben schon viel früher ein Ende setzen sollen. Ich begreife nicht, daß sie immer glauben, sie könnten mit uns machen, was sie wollen.
SPRECHERIN: Die beiden haben das ganze geschickt eingefädelt. Ein in Gift getränktes Stück Zucker und später beim Count-Down der Stamperln Alkoholnachschub, immer rechtzeitig und diskret, mehr hats nicht gebraucht. Und den Minotaurus, den Elsbeth mit Franz oder auch mit Karl gezeugt hat, den wird man auch noch beseitigen.
PETER WAGNER (O-Ton): Die sehr wesentlichen Spurenelemente des Matriarchats in einer patriarchalen Gesellschaft.
SPRECHERIN: … sagt Peter Wagner. Natürlich ist TODESTAG kein Stück über Perversion. Die Sache mit der Kuh dient einesteils als Metapher für das Sterben des Bauernstandes, andererseits als theatralischer Kunstgriff, ein Augenzwinkern, das die ganze blutrünstige Klischeetragödie von vorne herein ins Absurde kippen läßt.
PETER WAGNER (O-Ton): Dieses Stück ist sehr sehr rasch entstanden, in drei Nächten. Ich habe selbst unglaublich viel gelacht dabei, bei der ganzen Geschichte. Daß jetzt etwas sehr Artifizielles entstanden ist, das nehm ich mal so, das akzeptiere ich auch – in gewisser Weise. Wir haben gestritten miteinander. Das, was ich aus der Sprache gerne herausgeholt hätte, das kam leider nicht, das wurde nicht erreicht, sondern eher stilisiert, und dadurch ist die Groteske lückenhaft.
SPRECHERIN: Conny Hannes Meyer hat das absichtlich übersteigerte Tragödienpathos des Textes durchaus ernst genommen.
CONNY HANNES MEYER (O-Ton): Ich hab den Vorwurf Wagners, der ja einer antiken Tragödie entspricht, nämlich der Einheit der Zeit, des Ortes und der Handlung, und die Verknüpfung der Geschicke der Personen, die da handeln – das sind eigentlich ganz antike Grundkonstellationen. Und das hat mich zu reizen begonnen, das so zu machen. Der Spaß, der sich … würde zu Klamauk verführt haben, vor allem, weil da Trunkenheit dauernd zu spielen ist, und dann glaubt man, man lacht über zwei Bsoffene, aber das ist nicht das Thema. Die Trunkenheit und der Kampf mit dem Schnaps als Waffe, das ist ja der Krieg, das ist der Kampf der Männer gegeneinander und möglicherweise auch gegen die Frauen.
SPRECHERIN: Schon Wagners witzige dramatische Idee, eben die Konstellation mit der Kuh, krankt an ihrer grobgezimmerten und psychologisch nicht in allem schlüssigen Ausführung. Meyers Auffassung gibt diesem Todestag dann den Todesstoß. Maria Urban, die die kleine Rolle der Mutter gibt, ist die einzige, die ihre Figur kraft ihrer Sprech- und Charakerisierungskunst aus der Diskrepanz zwischen Stück und Inszenierung zu retten vermag. Georg Kusztrich reagiert auf diese Diskrepanz beinahe unbeholfen. Auch Maria Martina wirkt unter solchen Umständen fast hohl. Eine Produktion, die dem schönen Bühnenbild von Wolfgang Horvath die starke Athmospäre schuldig bleibt.
Dorothe Frank, ORF Ö1