Die Kardinälin: Heinrich Baumgartner / Noch Jemand: Erich Pacher / Inszenierung, Bühne, Licht und Musik: Peter Wagner / Licht- und Toneinspielung: Mario Horvath / Fotos, Videotechnik: Günter Jagout / Triptychon “Heile Welt” als Teil des Bühnenbildes: Eveline Rabold / Technik: Manfred Kratochwill, Johannes Maier, Thomas Schwarz / Grafik: David Maier / Organisation: Dirk Westritschnig / General Administration Manager: Franz Doliner / Intendanz: Gerhard Baumgartner
Koproduktion des Klagenfurter Ensembles mit dem OHO.
Uraufführung von Peter Wagners „Die Kardinälin“ beim klagenfurter ensemble: höchst stimmige Leistungen. Ein Stück über ein degoutantes Selbstbild: zum Grausen gut geschrieben, gut gemacht und gut gespielt.
Eine Welle aus Purpur ist die Bühne: Abgeschirmt oder in Einzelhaft, je nach Standpunkt, sitzt dahinter einer, der von Mandelpudding träumt, sich über den Glanz seiner Schuhe definiert und in einem halb inneren, halb äußeren Monolog in allen Hirnwindungen nach Rechtfertigung sucht: Warum er sich denn nicht rechtfertigen müsse! Streckenweise wird einem übel ob der Ungeheuerlichkeiten, die zu hören sind: Da spricht ein Versteckter, der durch Liveübertragung auf der Videowall Macht und Ohnmacht demonstriert, in gefinkeltzer Rhetorik seinen Sonderstatus poliert, ein grässliches Frauenbild innerhalb der Kirche zeichnet und nach unschuldigen Kinderaugen und Popos von Knaben lechzt, weil sie ja nicht die Hurenwelt wären … Ein starrsinniger, unbelehrbarer Selbstherrlicher, der sich als Mutter Kirche sieht, stolz ist, „Kardinälin“ gerufen zu werden, und Gott in Kumpanei nimmt: „Er schweigt – und ich schweige!“ Peter Wagner bietet einen Text an, der ihn als präzisen Profiler ausweist: Er lässt den Kardinal ein Bild von sich selbst zeichnen, aus dem es aus jeder Ritze zwischen Grau und Schwarz quillt. Da bleibt der Kindesmissbrauch „nur“ Anlass zum Lamento: Nie geht es um Opfer. Und die hätten, wäre eines anwesend, noch schwerer an der Selbstsicht dieses Kirchenmannes zu tragen, als bei der Opfer-Täter-Begegnung in Felix Mitteres „Beichte“. Peter Wagner liefert einen minutiösen Text, eine gekonnte Inszenierung; Heinrich Baumgartner als „Karidnälin“ (im punktgenauen Spiel mit dem Licht) ein Porträt, das in die letzte Pore schauen lässt. Erich Pacher gibt eine stellvertretende Reaktion, die der Zuschauer braucht. Wer sich immer schon fragte, was in einem Ungeheuer vor sich geht, muss einfach hin …
Maja Schlatte, Kärntner Tageszeitung, 13. Mai 2010