Musik: Wolfgang R. Kubizek / Libretto: Peter Wagner / Ratte: Dominik Glaubitz / Skarabäus: Sibylle Kos / Goldberg Ensemble / Dirigent: Christoph Cech / Bühne: Wolfgang Horwath / Licht: Alfred Masal / Produktionsleitung: Horst Horvath / Regie: Michael Sturminger
1996 Übersetzung ins Spanische
Mit ihrer Windoper wagen sich Wolfgang R. Kubizek und Peter Wagner in den Bereich zwischen den klassischen Gattungen der Oper und des Schauspiels. Obwohl das Stück in seiner durchkomponierten Partitur den Sprechtext überwiegend rhythmisiert und die Schauspieler auf diese Weise zu Mitgliedern des Orchesters macht, schöpft es alle Möglichkeiten der Konfrontation von Stimme und Musik aus.
Für die Inszenierung ist die Musik der erste und wichtigste Anhaltspunkt. Die Musik fügt dem Text die erste Interpretation hinzu, sie gliedert ihn, sie ist der erste Dramaturg. Doch wie die Musik dem Text nicht sklavisch folgt, ihn nicht bloß zu illustrieren versucht, wird die Inszenierung Musik und Text manchmal in großer Nähe, dann wieder in einer kontrastierenden Distanz begleiten.
Es gibt Anweisungen des Autors, die ich nicht wörtlich, vielmehr assoziativ übersetzen möchte. Eine konkrete Realisierung von fast abstrakten Bildern erscheint mir als Verkleinerung und Banalisierung.
Die beiden Protagonisten werden nicht durch ihre Kostüme oder Bewegungen als Ratte bzw. Skarabäus zu erkennen sein, das Wesen dieser Tiere wird zur Basis ihrer Charaktere. Die Bühne wird nicht ein Gesicht Gottes darstellen, Wind wird sichtbar nichts bewegen. „Offene“ Entsprechungen müssen gefunden werden.
Um die Vergangenheit der Protagonisten in die Handlung aufnehmen zu können, möchte ich mit Hilfe von Projektionen schnelle, klare Ortsveränderungen und Zeitsprünge machen. Auf diese Art hat man die Möglichkeit auf vielen Ebenen zu erzählen und die Einheit von Zeit und Raum, die das Stück vorgibt, immer wieder in Zwischenebenen zu brechen.
Etwa: Ein immer wiederkehrender Block von in Stille projezierten Karteikarten der Namen und Gesichter von in KZ's ermordeten Menschen, Gesichter mit Namen und Adresse. Geburtsdaten und Unterschriften lassen hinter anonymen Millionenzahlen Personen mit ihrem Schicksal hervortreten.
Eine stumme Szenenfolge eines unverfänglich netten Herren, der mit einer Bastelarbeit beschäftigt ist. Sein Sohn begutachtet seine Bastelei, Freunde sparen nicht mit anerkennenden Gesten, seine Tochter bringt Bier. Das Ergebnis bringt der Briefträger: Eine Detonation aus der Vergangenheit – ins Heute.
Wir werden über solche Mittel nachdenken, vielleicht verwerfen, vielleicht durch andere ersetzen. Die Inszenierung soll das Stück jedoch nicht einfach herunterspulen, sie soll es in einen Kontext stellen, der den phantasie- und humorvoll absurden Grundton immer wieder deutlich anklingen lässt.
Michael Sturminger, Regie
… Umso positiver war die Überraschung durch die auf die Tragödie von Oberwart bezugnehmende „Windoper – Monolog mit einem Schatten“. Peter Wagners Text (von Dominik Glaubitz kongenial dargestellt) ist eine zynische Farce im Stile George Taboris – und wie bei dem Altmeister des Theaters verzeiht man kurze moralisierende Passagen gerne, weil sie vom makabren Witz des Stückes gleichsam gedeckt sind. Klug verzichtet Wolfgang Kubizeks Musik auf jede plakative Illustration; sie nimmt einen nahezu eigenständigen Verlauf und lenkt so die Aufmerksamkeit umso wirkungsvoller auf den Text.
Stefan Jena, ÖSTERREICHISCHE MUSIKZEITSCHRIFT, Nr. 5/1996: Fremd ist der Fremde nur in der Fremde – Hörgänge Festival im Wiener Konzerthaus