Károlys Forschungen

Uraufführung / Premiere: 26.9.2024
Offenes Haus Oberwart (OHO)
Gastspiele 2024: Stadtsaal Güssing / Frauenkirchen Weingut Umathum / Eisenstadt Kultur Kongress Zentrum / KUGA Großwarasdorf

Ein Stück burgenländischer Entgrenzungen

Text und Inszenierung: Katrin Hammerl / Schauspiel: Simon Dietersdorfer, Martin Hemmer und Katharina Susewind / Komposition: Simon Dietersdorfer, Martin Hemmer / Live-Musik: Alona Yefimenko (Geige), Valeria Bolognani (Bratsche), Ana Spahn (Cello) / Bühnenbild und Visuals: Florian Lang / Kostümbild: Katrin S. Weidhofer / Lichtdesign: Alfred Masal / Sounddesign und Live-Ton: Florian Decker / Bauten und Technik: Jan Tomsits / Regieassistenz: Valentina Himmelbauer / Produktionsleitung: Uschi Turai / Büro: Silvia Magdits / Ausstellungsgestaltung: Eveline Rabold / Ausstellungsinhalte: Dr. Susanna Steiger-Moser, Dr. Herbert Brettl, Prof. Dr. Károly Gaál / Intendanz und Anregung: Peter Wagner

Eine Kooperation der Theaterinitiative Burgenland / Landestheater der Autor:innen mit dem Offenen Haus Oberwart.

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KÁROLYS FORSCHUNGEN

Im Herbst 2024 gelangt mit „Károlys Forschungen. Ein Stück burgenländischer Entgrenzung“ eine Produktion des Burgenländischen Landestheaters der Autor:innen zur Uraufführung, die sich mit dem deutsch-westungarischen Anthropologen Károly Gaál (1922-2007) auseinandersetzt.

Den Ausgangspunkt des Theaterstücks bildet Gaáls wissenschaftliche Abfassung „Wer erbt das Jankerl? Über die Kommunikationskultur der Gutshofknechte im Burgenland“. In ihr reflektiert der Völkerkundler seine Erfahrungen auf burgenländischen Gutshöfen in den 1960er-Jahren und die Kommunikationspraktiken der dort lebenden Menschen. Károly Gaál war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Feldforschung zu verschiedenen Lebensgemeinschaften im Burgenland tätig gewesen. Dabei lebte er einige Monate mit Knechten und Mägden auf Gutshöfen in adeligem Besitz zusammen und zeichnete ein umfangreiches Bild ihrer Kommunikationskultur. Während Gaál zahlreiche ethnologische Arbeiten verfasste, sind vor allem seine Studien über das Liedleben ethnischer Minderheiten hervorzuheben, da diese für die Volksmusikforschung von immenser Bedeutung sind.

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Ausgehend von Gaáls Aufzeichnungen spürt Regisseurin und Autorin Katrin Hammerl als gebürtige Südburgenländerin seinen Begegnungen nach und entwirft dabei eine Collage dreier fiktiver, repräsentativer Situationen aus dem Leben und Forschen des Anthropologen.

Gaáls Gespräche mit Ernst und Anna, die auf dem Gutshof leben und noch nie Fragen über sich selbst beantwortet haben, gestalten sich schwierig, auch aufgrund divergierender Vorstellungen von Freiheit. Während sowohl der Forscher wie auch die Forschungssubjekte um ihre Expertenpositionen in Bezug auf das Gutshofleben ringen, gelingt ein intimer Blick auf das Selbstverständnis der Knechte und Mägde im Burgenland der 1960er-Jahre.

Die auf die Begegnung folgende, abendliche Unterhaltung am Gutshof, wo die Vortragskunst von Musik, Märchen und Alltagsgeschichten in einer Art Wettbewerb kulminiert, bildet das poetische und emotionale Zentrum des Stücks.

Als Gaál schließlich im Rahmen der ORF-Sendung „Philosophie fürs Burgenland“ in einer surrealen Begegnung auf seinen US-amerikanischen Kollegen Manuel W. trifft, entsteht eine hitzige Diskussion über die Auslegung verschiedener Menschheitsgeschichten und die Frage nach Kooperation und Gemeinschaft. Im Konflikt mit den auf die breite Öffentlichkeit ausgelegten Vermittlungskonzepten der Journalistin werden die Auseinandersetzungen letztlich immer unberechenbarer. Wiederum entgleist jene Kommunikationskultur, die es eigentlich zu untersuchen gilt. Im Ringen um ihren Expertenstatus fordern die Figuren die burgenländische Geschichtsschreibung nicht nur heraus – sie stellen sie auf den Kopf und machen sie zum Spektakel.

Regisseurin Katrin Hammerl betont in ihrer Inszenierung zwei spezifische Momente des Gutshofs, indem sie das Bild der charakteristischen Doppelküche zeichnet, in der zwei Familien nebeneinander lebten, und anschließend daran die Kommunikationskultur anhand der darstellerischen Kunst einzelner Personen am Gutshof schildert. Schließlich kommt es zu einer Erweiterung der lokalspezifischen Thematik, indem sie in Bezug zu den globalen Studien über das menschliche Zusammenleben des Anthropologen David Graeber sowie des Soziologen Richard Sennett gesetzt wird. Dabei offenbart das Stück einerseits das Bemühen, möglichst wissenschaftlich zu sprechen sowie die damit einhergehende Komik, und erweitert andererseits die Perspektive auf die „einfache“ Sprache der Gutshofleute, die sich als treffsicher erweisen, auch wenn ihnen oft die nötigen Begriffe fehlen. Die gegenseitige Infragestellung der spezifischen Kommunikationspraktiken sowie des jeweiligen Expertenwissens tritt immer wieder hervor und entpuppt sich dabei als genauso charakteristisch für die Wissenschaftler wie auch für die Gutshofgemeinschaft.

Hammerls Inszenierung hat ein Spiel mit Klasse und sozialer Herkunft zum Ziel, wobei sie Gaáls reale Studien und Erkenntnisse über die burgenländischen Lebensgemeinschaften in einen aktuellen Kontext setzt und dabei fiktionale Situationen eröffnet, die mit konkreten historischen Inhalten verknüpft sind. Stilistisch folgt das Stück den Spuren des absurden Theaters wie auch der Satire. Die Erzählung ist gefüllt mit Ironie und Wortwitz und profitiert von Hammerls Herangehensweise, ein ambivalentes Thema mit Leichtigkeit und Humor zu verhandeln.

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Portrait Katrin Hammerl

Auch die musikalische Komponente der Produktion macht die Erzählung über Károlys Forschungen zu einem Theatererlebnis der besonderen Art. So werden etwa alle drei Schauspieler:innen auch als Sänger:innen in Aktion treten, wobei sich Simon Dietersdorfer und Martin Hemmer auch für die Neu-Kompositionen wie auch Arrangements historischen Liedgutes verantwortlich zeichnen, die bei den Aufführungen von drei Live-Musiker:innen vorgetragen werden. Durch den dramaturgischen Einsatz musikalischer Elemente will die Inszenierung zudem an die Erzählkraft von Filmen erinnern. Die Missverständnisse auf sprachlicher Ebene, die eigenwilligen musikalischen Ebenen der Erzählung sowie das von Florian Lang gestaltete Bühnenbild werden ihren Teil dazu beitragen, das Publikum in Räume zu entführen, die zwischen historisch konkreter Verortung und surrealer Erweiterung changieren.

Begleitet wird die Inszenierung von einer historischen Ausstellung zum Themenkreis Meier- und Gutshöfe im Burgenland, die federführend von der Historikerin Dr. Susanna Steiger-Moser und dem Intendanten der Theaterinitiative Burgenland – Landestheater der Autor:innen, Peter Wagner, erarbeitet und von Eveline Rabold gestaltet wurde. Diese Ausstellung wird von der AK-Burgenland unterstützt, berücksichtigt sie doch auch gewerkschaftliche Aspekte und einen geschichtlichen Abriss über die Verbesserung der Arbeitssituation der Landarbeiter:innen.